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Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 11 Wx 38/09
Rechtsgebiete: AufenthG, FGG, FEVG
Vorschriften:
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 | |
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 | |
FGG § 27 | |
FEVG § 16 Satz 1 |
Oberlandesgericht Karlsruhe 11. Zivilsenat Beschluss
Geschäftsnummer: 11 Wx 38/09
20. April 2009
In dem Freiheitsentziehungsverfahren betreffend den kosovarischen Staatsangehörigen D.
Tenor:
1. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 3. April 2009 - 4 T 5/09 - wird zurückgewiesen.
2. Das Land Baden-Württemberg ist verpflichtet, dem Betroffenen die im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antrag stellende Behörde wendet sich im Abschiebehaftverfahren dagegen, dass das Landgericht eine zweite Verlängerung der Haftanordnung unter Hinweis auf eine Verletzung des Gebots größtmöglicher Beschleunigung der Rückführung abgelehnt hat.
Der Betroffene reiste seinen Angaben zufolge als kosovarischer Staatsangehöriger zwei bis drei Wochen vor dem 7. Dezember 2008 über Griechenland und Frankreich nach Deutschland ein. An diesem Tage wurde er in F. vorläufig festgenommen, weil er nicht im Besitz eines Ausweisdokuments war. Bei der Kontrolle gab er ausweislich des Vermerks eines Polizeibeamten zunächst falsche Personalien an und berief sich auf eine Einreiseerlaubnis durch ein Schengen-Visum, das er jedoch tatsächlich nicht vorweisen konnte.
Am 8. Dezember 2009 ordnete das Amtsgericht F. auf Antrag der Stadt F. Abschiebehaft bis zum 8. Februar 2009 an. Die Haft wurde durch Beschluss vom 6. Februar 2009 bis zum 25. März 2009 verlängert. Am 2. Januar 2009 wurde der Asylantrag des Betroffenen als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen; dieser ist Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Am 17. März 2009 beantragte die Beteiligte zu 2 die weitere Verlängerung der Haft bis zum 8. Mai 2009 mit der Begründung, für den Betroffenen liege noch keine Zusage auf Rückführung in das Kosovo vor. Das sei darauf zurückzuführen, dass die Angaben des Betroffenen zu seinen Personalien nicht durch entsprechende Dokumente belegt werden könnten und der Betroffene widersprüchliche Angaben gemacht habe. Das Amtsgericht gab dem Verlängerungsantrag statt. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen hob das Landgericht die Verlängerungsanordnung auf und ordnete die Freilassung des Betroffenen an. Zwar lägen die Haftgründe aus § 62 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AufenthG vor. Die erneute Verlängerung der Haft sei jedoch unverhältnismäßig, weil die Behörde die Abschiebung nicht mit größtmöglicher Beschleunigung betrieben habe. Der Betroffene sei erst am 18. Dezember 2008 aufgefordert worden, die für ein Rückübernahmeersuchen erforderlichen Daten anzugeben. Das sei zu spät gewesen, da sich der Betroffene bereits seit 7. Dezember 2008 in staatlichem Gewahrsam befunden habe. Eine weitere nicht hinnehmbare Verzögerung sei dadurch eingetreten, dass der Antrag bei der Kosovo-Übergangsverwaltung erst am 9. Januar 2009 und damit mit einer Verzögerung von drei Wochen gestellt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie macht geltend, das Landgericht habe übersehen, dass zwischen dem 18. Dezember 2008 und dem 9. Januar 2009 wegen der Feiertage nur neun Arbeitstage gelegen hätten. Das Landgericht habe zudem allein auf die Beschleunigungspflichten der Ausländerbehörde abgehoben, die Mitwirkungsobliegenheiten des Betroffenen aber ignoriert. Die noch nicht abgeschlossene Überprüfung der Registrierung im Kosovo deute darauf hin, dass die Angaben des Betroffenen zu seiner Person jedenfalls teilweise falsch waren.
Der Betroffene hat sich zu dem Rechtsmittel nicht geäußert.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts, die Verlängerung der Abschiebehaft wegen vermeidbarer Verzögerungen des behördlichen Verfahrens zu verweigern, hält der nach § 27 FGG allein möglichen Überprüfung auf Rechtsfehler stand.
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung, der der Senat folgt, erfordert das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit, dass die Ausländerbehörde alles ihr Mögliche unternimmt, um entweder die Abschiebungshaft zu vermeiden oder diese zumindest auf einen möglichst kurzen Zeitraum zu beschränken. Die Ausländerbehörde ist deshalb insbesondere verpflichtet, ohne Aufschub und Beschleunigung alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um für den Betroffenen die zur Ausreise erforderlichen Ersatzpapiere zu beschaffen. Die Haft ist auf den Zeitraum zu begrenzen, der unbedingt erforderlich ist, um die Abschiebung vorzubereiten und durchzuführen (vgl. zuletzt etwa Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 11 Wx 77/07, InfAuslR 2007, 356 m.w.N.). Das Landgericht hat sich ohne Rechtsfehler nicht davon überzeugen können, dass das Beschleunigungsgebot hier hinreichend beachtet worden ist.
1. Das Landgericht weist zunächst darauf hin, dass die Antrag stellende Behörde den Betroffenen erst 11 Tage nach Beginn des Gewahrsams aufgefordert hat, die für ein Rückübernahmeersuchen zusätzlich erforderlichen Angaben zu machen (vgl. Stellungnahme der Beteiligten zu 2 vom 3. April 2009 -, wonach am 18. Dezember 2008 eine Befragung durch die Abschiebehaftanstalt veranlasst worden sei). Ein rechtfertigender Grund hierfür liegt nicht vor. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht zugrunde gelegt, dass die Antrag stellende Behörde sich nicht darauf berufen kann, die Akte erst am 16. Dezember 2008 erhalten zu haben. Unzuträglichkeiten in der behördlichen Zusammenarbeit dürfen sich nicht zu Lasten des inhaftierten Betroffenen auswirken (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. November 2007 - 16 Wx 255/07, FGPrax 2008, 91). Es ist vielmehr Aufgabe der mit der Abschiebehaft befassten Behörden, ihren Geschäftsbetrieb so einzurichten, dass in Haftfällen jede unnötige Verzögerung des Verfahrens vermieden wird. Mit dieser - ersten - Verzögerung setzt sich die sofortige weitere Beschwerde nicht auseinander; sie lässt insbesondere nicht erkennen, warum sie durch eine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Betroffenen verursacht sein soll.
2. Auch die weitere Verzögerung - zwischen der Anhörung des Antragstellers im Asylverfahren am 16. Dezember 2008, in der er Angaben zu seinen erweiterten Personalien gemacht hat - und dem Rückführungsersuchen an die UN-Übergangsverwaltung des Kosovo vom 7. Januar 2009 ist weder hinreichend erklärt noch kann sie mit einer Verletzung der Mitwirkungspflicht des Betroffenen gerechtfertigt werden.
a) Gegen die Tatsachenfeststellungen des Landgerichts wird von der Antrag stellenden Behörde nichts erinnert; diese macht insbesondere nicht geltend, vor dem 7. Januar 2009 (dieses Antragsdatum ergibt sich aus der Kopie des Ersuchens; die Datumsangabe 9. Januar 2009 im landgerichtlichen Beschluss beruht offenbar auf einem Versehen) einen Rückführungsantrag gestellt zu haben.
b) Soweit die Antrag stellende Behörde in ihrer Stellungnahme gegenüber dem Landgericht mitgeteilt hat, die Anhörungsniederschrift sei ihr (erst) am 7. Januar 2009 zugegangen, gilt das zu der früheren Verzögerung Ausgeführte. Durch Nutzung moderner Kommunikationsmittel wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Anhörungsniederschrift sofort an die Antrag stellende Behörde zu übermitteln oder dieser zumindest die für die Rückführung erforderlichen Personalangaben vorab mitzuteilen.
c) Dass der fragliche Zeitraum um die Weihnachts- und Neujahrsfeiertage lag, rechtfertigt eine Verzögerung nicht. Die Ausländerbehörden müssen ihren Geschäftsbetrieb zur Erfüllung des Beschleunigungsgebots so einrichten, dass in Haftfällen die erforderlichen Maßnahmen auch in Ferienzeiten oder zwischen den Feiertagen getroffen werden können.
d) Es ist nicht ersichtlich, dass die Verzögerung in diesem Zeitraum durch den Betroffenen verursacht worden ist. Wenn auch dessen Verhalten Auffälligkeiten aufweist - so hat er zunächst angegeben, seine frühere Anschrift im Kosovo nicht zu kennen und erst auf Nachfrage den früheren Wohnort genannt, auch hat er wenig überzeugende Angaben zu einem Schengen-Visum gemacht und einen bereits 2007 ausgestellten Ausweis der UN-Übergangsverwaltung ohne hinreichende Erläuterung der Gründe (erst) am 31. März 2009 in Kopie vorlegen lassen -, erklärt dies nicht, warum die Antrag stellende Behörde das Rückübernahmeersuchen nicht sofort gestellt hat, nachdem der Antragsteller seine Personalien im Asylverfahren angegeben hatte. Wäre dies geschehen, hätten etwaige Falschangaben früher aufgedeckt und ggf. korrigiert und eine Rückführung früher durchgesetzt werden können. Die unterschiedlichen Angaben des Betroffenen über seinen Geburtsort vermögen eine Verzögerung nicht zu erklären, war es doch offenbar möglich - wie im Rückübernahmegesuch geschehen - hierzu alternative Angaben zu machen.
e) Soweit die Antrag stellende Behörde in dem Antrag auf Haftverlängerung bis zum 8. Mai 2009 ausführt, der Betroffene habe die Klärung seiner Identität und die Beschaffung von Ausweispapieren dadurch erschwert, dass er widersprüchliche Angaben über noch im Kosovo lebende, eventuell zur Ausweisübersendung bereite Verwandte gemacht habe, vermag dies die in Rede stehende Verzögerung nicht zu erklären, konnte die Ausländerbehörde doch offenbar das Rückführungsersuchen am 7. Januar 2009 auch ohne einen Ausweis oder eine Kopie hiervon stellen.
III.
Da das Verfahren in allen Instanzen gerichtskostenfrei ist, war eine Entscheidung hierüber nicht veranlasst. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 16 Satz 1 FEVG. Ein begründeter Anlass für einen Antrag auf Verlängerung der Abschiebehaft bestand wegen der vermeidbaren Verzögerungen im behördlichen Verfahren nicht.
Ende der Entscheidung
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